Wie die Bemerkung ihres Mannes zum Mindesthaltbarkeitsdatum das Leben einer 47-jährigen Frau veränderte.

Ich betrachte die Hacksteaks aus dem Ofen, leicht verkohlt an den Rändern, und kann meinen Ohren nicht trauen.

Du bist abgelaufen. Ich will die Scheidung, sagt mein Mann und schiebt seinen Teller weg. Es klingt so banal, als würde er die nächste Benzinpreiserhöhung ankündigen. Ich erstarrte, die Holzkelle noch in der Hand. Der Kaktus auf der Fensterbank zeigt traurig eine krumme Dornenspitze nach oben, als wollte er bestätigen: Für dich ist es vorbei. Ich bin siebenundvierzig, und mit Markus waren wir zwanzig Jahre zusammen. Unser Sohn, Lukas, studiert längst in einer anderen Stadt, und der Immobilienkredit für unsere Zweizimmerwohnung ist fast abbezahlt. Und jetzt, mit einem Schlag abgelaufen.

Um mich herum scheint alles erstarrt wie ein Schwarz-Weiß-Bild aus einer alten Fernsehsendung. Ich starre auf die verkohlten Steaks und frage mich: Kann ich die verbrannten Stellen noch retten, oder ist es schon zu spät? Seltsam, wie sich das Gehirn an Kleinigkeiten festhält, wenn etwas wirklich Schreckliches passiert.

**Routine, der Rost der Beziehung**

Seit dem Frühling herrscht eine gespannte Stille in unserer Wohnung. Markus kommt spät von der Arbeit, und am Wochenende vertieft er sich in die Berichte, die sein neuer Chef ihm aufgedrückt hat. Ich hingegen versinke in meinem Büroalltag: Jahresabschlüsse, stapelweise Akten, und abends streichle ich unsere Katze, Minka. Gespräche gibt es kaum. Nur ein flüchtiges Hol bitte Milch, Lade Geld auf die Karte, Wer macht heute das Geschirr? Eine klebrige Müdigkeit hat eine hohe Mauer zwischen uns aufgebaut.

Lukas, unser neunzehnjähriger Sohn, studiert in einer anderen Stadt, lebt im Studentenwohnheim, und wir sehen ihn selten. Ab und zu ruft er an und fragt nach Geld. Im Sommer war er zu Besuch, und wir hatten sogar überlegt, ein Grillfest auf dem Land zu veranstalten, doch daraus wurde nichts: Entweder war das Wetter schlecht, oder Markus war zu müde. Da spürte ich schon, dass wir eher Nachbarn als Eheleute geworden waren.

Und gestern dann das endgültige Urteil: Du bist abgelaufen.

**Katalysator und wachsender Konflikt**

Die Möglichkeit einer Scheidung schwebte schon lange wie ein Schatten über uns. Vor ein paar Wochen war das Küchenwaschbecken verstopft, und ich hatte einen Klempner gerufen. Plötzlich sagte Markus: Das ist Männersache, halt dich da raus. Warum nur? Er selbst hat nie etwas in dieser Richtung unternommen. Trotzdem warf er mir vor, nicht gewartet zu haben als wäre es ihm plötzlich wichtig gewesen, mir meine Unfähigkeit vorzuhalten.

Dann kam dieser merkwürdige Moment: Unsere Nachbarin, Tante Elfriede, fragte uns freundlich im Treppenhaus: Markus, Nadine, feiert ihr bald euren Hochzeitstag? Mein Mann und ich tauschten einen verwirrten Blick der Jahrestag war schon vor einem Monat gewesen. Wir hatten ihn beide vergessen. Die Nachbarin schaute uns mitleidig an, als hätte sie unser Unglück schon längst durchschaut.

Doch mit so viel Offenheit hatte ich nicht gerechnet:
Eine Scheidung? Ernsthaft?
Ja, ernsthaft, antwortete mein Mann, ohne mich anzusehen. Ich bin müde. Das zieht sich schon zu lange.

**Versuch, zu verstehen und sich anzupassen**

Die Nacht verbrachte ich auf unserem alten Sofa, auf dem ich sonst meine Serien schaue. Minka spürte meinen Zustand und schnurrte leise an meinen Füßen. Ich hörte Markus kaum er hatte sich im Schlafzimmer eingeschlossen. Am Morgen stellte ich automatisch den Kaffee an und starrte auf den schiefen Blumentopf mit dem Kaktus. Der Arme wird es auch nicht schaffen, dachte ich. Er steht da in der Ecke und blüht seit Jahren nicht mehr. Einmal hat er geblüht, aber nur ein einziges Mal.

Ich wollte ein offenes Gespräch mit meinem Mann führen, doch mir fehlte die Kraft. Ich ging zur Arbeit und versuchte, den Schein zu wahren. Im Büro: Stapel von Akten, graue Ordner, Kollegen, die in der Mittagspause Sudoku spielten Und ich konnte mich nicht konzentrieren. Ein Gedanke hämmerte in meinem Kopf: Bin ich wie eine abgelaufene Konserve?

Erst am späten Nachmittag rief ich meinen Sohn an:
Lukas, also Papa möchte sich scheiden lassen.
Nach einer Pause antwortete er:
Mama, ich habs schon lange gespürt, dass etwas nicht stimmt. Wenn es zu schlimm wird, stehe ich dir bei, sagte er ruhig, fast bedauernd. Lass dich nicht unterkriegen, okay?

Ich spürte seine Sorge. Einerseits ist er erwachsen geworden, andererseits hat er nur eine Familie und plötzlich bricht alles auseinander.

**Der Anruf meiner Schwiegermutter**

Meine Schwiegermutter rief mich am nächsten Tag selbst an. Normalerweise erkundigt sie sich nach den Tauben auf unserem Balkon, doch diesmal kam sie gleich zur Sache:
Es geht um eine Scheidung? Markus hat mir ein bisschen was erzählt. Wie kann man in diesem Alter seine Familie im Stich lassen?!
Ich wusste nicht, was ich antworten sollte, und stammelte:
Ich bin nicht diejenige, die das will.
Dann hast du es nicht gemerkt, hast dich nicht genug um ihn gekümmert. Ihr seid keine Kinder mehr, Nadine. Unser kleiner Markus ist bald achtundvierzig! Du hättest auf seine Ruhe achten sollen, aber du warst zu sehr mit deiner Arbeit beschäftigt.

Fast hätte ich ausgeholt: Also war ich an allem schuld, nicht weiblich genug. Doch ich beherrschte mich: Was hätte ein Streit mit ihr gebracht? Sie lebt jetzt in einem Dorf, verbringt ihre Tage im Garten mit ihrer jüngeren Schwester und den Enkeln ihrer Nichte. Von unserer Beziehung weiß sie nur aus seltenen Telefonaten. Trotzdem ist sie überzeugt, dass die Schwiegertochter schuld ist.

**Gespräch am Küchentisch**

Am Samstag redeten wir endlich wie Erwachsene. Er kam unrasiert und mürrisch aus dem Bad und setzte sich mir in der Küche gegenüber. An der Wand tickte eine alte Kuckucksuhr von meiner Oma der Vogel war längst kaputt, seit fünf Jahren stumm. Symbolisch schien die Zeit auch in unserer Familie stehengeblieben zu sein.
Ich ändere meine Meinung nicht, sagte mein Mann leise und schob seine Teetasse weg. Ich bin müde, Nadine. Es geht nicht mehr um Gefühle. Diese Wohnung ist es nicht wert, dass wir daran festhalten. Du kannst hierbleiben. Ich verlange keine schnelle Veräußerung. Aber ich möchte die Hälfte des Wertes. Ich suche mir was anderes, vielleicht erstmal zur Miete, und dann sehen wir weiter.

Ich betrachtete den abgeblätterten Tisch, die ausgebleichte Wachstuchtischdecke und hörte diesen fast geschäftsmäßigen Monolog. Als würden zwei Partner über eine Bilanz verhandeln. Dabei liegen zwanzig Jahre hinter uns. Die Traurigkeit übermannte mich bis zu Tränen, auch wenn es mir peinlich war, vor ihm zu weinen.

Ich verstehe, sagte ich und kämpfte gegen das Zittern in meiner Stimme. Na gut, wenn es die Scheidung sein soll, dann soll es so sein.
Wir schwiegen. Ich spürte eine seltsame Erleichterung, als hätte mir jemand einen schweren Rucksack abgenommen. Ja, es ist beängstigend, mit fast fünfzig allein dazustehen aber noch beängstigender ist es, in einer Beziehung zu leben, in der niemand den anderen braucht.

**Rückkehr zu meiner Mutter**

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